| Policy Paper

Hintergrund

Green Armenia, mit Förderung durch das Osteuropa-Partnerschaftsprogramm des Auswärtigen Amts („Ausbau der Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft in den Ländern der Östlichen Partnerschaft und Russland“), hat gemeinsam mit Araminta gUG das Projekt „Voices in Action“ gestartet.

Die Women’s Platform-Serie porträtiert 20 Frauen aus ländlichen und städtischen Regionen Armeniens – darunter Menschenrechtsverteidigerinnen, Journalistinnen, Politikerinnen und zivilgesellschaftliche Initiativen.
Sie berichten über ihren Weg, ihre Resilienz und Führungsstärke sowie ihren Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit, gesellschaftliche Teilhabe und Menschenrechte.

Die Geschichten zeigen nicht nur den mutigen Weg von Frauen in einer überwiegend patriarchal geprägten Gesellschaft, sondern haben auch zentrale Handlungsfelder und konkrete Empfehlungen für unterschiedliche Akteur:innen aufgezeigt. Ziel ist es, strukturelle Hürden abzubauen und den Weg zu einer gerechteren Gesellschaft zu ebnen.
Besonders relevant ist dieses Thema im Kontext des EU-Armenien-Visa-Liberalisierungsprozesses sowie der europäischen Integrationsbestrebungen Armeniens, in denen Gleichstellung, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte eine zentrale Rolle spielen.

Zentrale Herausforderungen und politische Handlungsempfehlungen

Zentrale Themen aus der Podcast-Serie „Women’s Platform“

  1. Geschlechterstereotype und gesellschaftliche Erwartungen
    Geschlechterstereotype sind in allen gesellschaftlichen Bereichen verbreitet – unabhängig von sozialem Status, Bildungsgrad oder Berufsfeld. Gesellschaftliche Erwartungen, die auf traditionellen Rollenbildern beruhen, haben besonders gravierende Auswirkungen auf marginalisierte Gruppen, betreffen jedoch Frauen aus allen Lebensbereichen – auch wirtschaftlich unabhängige und hochqualifizierte Frauen.
  2. Institutionelle und rechtliche Hürden
    Obwohl der rechtliche Rahmen Armeniens die Gleichstellung der Geschlechter formal unterstützt – etwa durch das Gesetz über gleiche Rechte und gleiche Chancen für Frauen und Männer – ist die Umsetzung uneinheitlich. Staatlichen Stellen fehlen häufig geschulte Gender-Fachkräfte, zudem werden keine geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselten Daten erhoben. Dadurch ist eine wirksame Überwachung der Gesetzesanwendung kaum möglich.
  3. Unterrepräsentation in Entscheidungspositionen
    Geschlechterquoten haben den Anteil von Frauen im Parlament erhöht, dennoch sind Frauen weiterhin deutlich unterrepräsentiert in Bürgermeisterämtern, Gouverneursposten und exekutiven Führungsfunktionen. Auf kommunaler Ebene übernehmen Frauen häufig repräsentative oder einflussarme Rollen.
  4. Ungleichheit am Arbeitsplatz
    Die Gesprächspartnerinnen berichteten von einer stark ausgeprägten geschlechtsspezifischen Segregation des Arbeitsmarktes: Frauen sind überproportional in niedrig entlohnten Bereichen wie Bildung und Care-Arbeit vertreten, während Männer vor allem in besser bezahlten Branchen wie IT und Bauwesen dominieren. Lohnunterschiede bestehen selbst in Sektoren, in denen Frauen die Mehrheit stellen.
  5. Digitale Gewalt und öffentliche Belästigung
    Frauen in öffentlichen und sichtbaren Rollen – insbesondere jene, die sich für gesellschaftlichen Wandel einsetzen – sind häufig Ziel von koordinierten Online-Belästigungs- und Einschüchterungskampagnen. Eine Vertreterin der Zivilgesellschaft berichtete, dass ihre Fotos manipuliert und mit diffamierenden Kommentaren verbreitet wurden. Andere Teilnehmerinnen schilderten Erfahrungen mit koordiniertem Trolling, Doxxing und Drohungen, die gezielt darauf abzielten, sie zum Schweigen zu bringen.
  6. Jugend und Intersektionalität
    Junge Frauen engagieren sich zunehmend in Aktivismus und digitaler Organisation und machen ihre Stimmen öffentlich sichtbar. Gleichzeitig sind Mädchen und junge Frauen aus ländlichen Regionen, aus ethnischen Minderheiten (etwa Jesidinnen und Assyrerinnen) sowie LGBTQ+-Jugendliche weiterhin mit mehrfachen Formen der Diskriminierung konfrontiert.
Frauenrechte in Armenien: Erkenntnisse und Empfehlungen

Empfehlungen für politisches Handeln

Für internationale Partner (EU, UN, Botschaften, INGOs)

  1. Durchsetzung von Gleichstellungsgesetzen stärken
    R
    ichten Sie öffentlich finanzierte Förderprogramme für Frauen in der Politik und in der kommunalen Verwaltung ein. Verpflichten Sie politische Parteien, Gleichstellungspläne vorzulegen, als Voraussetzung für den Erhalt staatlicher Zuschüsse.
  2. Support Women’s Leadership Beyond Quotas
  3. Gegen geschlechtsspezifische Desinformation und Belästigung vorgehen
    E
    inführung einer rechtlichen Definition von geschlechtsspezifischer Gewalt im digitalen Raum in das armenische Strafgesetzbuch ein. Arbeiten Sie mit Plattformen wie Facebook und YouTube zusammen, um armenischsprachige Meldeinstrumente sowie klare Reaktions- und Abhilfeprotokolle zu entwickeln.
    Stellen Sie sicher, dass Betroffene Zugang zu wirksamen Rechtsbehelfen haben und dass Beschwerden über sexuelle Belästigung konsequent untersucht werden, Täter verfolgt und angemessen bestraft werden und Opfer vor Repressalien geschützt sind. Zudem sollte die Gesundheits- und Arbeitsinspektion gestärkt werden, damit sie regelmäßige Kontrollen in Betrieben durchführen kann.
  4. Gleichstellungsorientierte Arbeitsbedingungen stärken
    Die Regierung sollte große Arbeitgeber verpflichten, jährlich Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu veröffentlichen. Zudem sollten Arbeitsplatzbewertungen durchgeführt werden, um Tätigkeiten mit gleichem Wert zu identifizieren und gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit sicherzustellen. Für die Aufsicht über diesen Prozess sollte eine zuständige staatliche Stelle benannt werden – etwa das Steuerkomitee oder das Finanzministerium. Diese Verpflichtung ergibt sich aus dem ILO-Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts.
    Darüber hinaus tritt die EU-Richtlinie zur Entgelttransparenz im Jahr 2026 in Kraft. Im Rahmen der Annäherung des nationalen Rechts an EU-Standards könnte Armenien vergleichbare Transparenzmaßnahmen einführen. Dazu zählen etwa Vorgaben zur Offenlegung von Gehaltsniveaus oder -spannen in Stellenausschreibungen sowie Verpflichtungen für große Arbeitgeber, Daten zum geschlechtsspezifischen Lohngefälle zu veröffentlichen, erhebliche Unterschiede zu erläutern und in gesonderten Berichten Maßnahmen zur Verringerung dieser Unterschiede darzulegen.
    Zugleich ist sicherzustellen, dass Frauen in der informellen Wirtschaft Zugang zu Mutterschutz erhalten. Die Rückkehr junger Mütter in den Arbeitsmarkt sollte erleichtert und die gleichberechtigte Aufteilung von Haus- und Sorgearbeit zwischen Frauen und Männern gefördert werden, unter anderem durch den Ausbau von Vaterschaftsurlaub. Zudem sollten spezifische Regelungen zur Haftung von Arbeitgebern bei Diskriminierung von Frauen eingeführt werden – insbesondere in den Bereichen berufliche Entwicklung, Einstellung, Beförderung und berufliche Weiterbildung.
  5. Marginalisierte Gruppen systematisch in die Politikgestaltung einbinden
    Einrichtung partizipative Beiräte auf kommunaler Ebene , in denen Frauen aus ethnischen Minderheiten, Frauen mit Behinderungen sowie LGBTQ+-Frauen an Entscheidungsprozessen zu Gesundheit, Bildung und Sicherheit beteiligt werden. Wichtig ist, dass diese Gremien über einen klaren rechtlichen Status und ein verbindliches Mandat verfügen, damit sie tatsächlich Einfluss auf die lokale Politikgestaltung haben.

Für internationale Partner (EU, UN, Botschaften, INGOs)

  1. Langfristige Finanzierung feministischer Infrastruktur
    Stellen Sie Kernfinanzierung bereit (nicht nur projektbezogene Fördermittel), um von Frauen geführte NGOs nachhaltig zu stärken. Unterstützen Sie dabei nicht nur Organisationen in Jerewan, sondern auch in den Regionen.
  2. Geschlechtergerechtigkeit an demokratische Unterstützung knüpfen
    Verankern Sie messbare Ziele zur Gleichstellung der Geschlechter in den Partnerschaftsabkommen zwischen der EU und Armenien. Überwachen Sie die Ergebnisse in Bereichen wie Justiz, Digitalisierung und Sicherheit.
  3. Initiativen zur digitalen Sicherheit unterstützen
    Finanzieren Sie Schulungen zu digitaler Kompetenz und Online-Sicherheit, die sich gezielt an Journalistinnen, Aktivistinnen und lokale Führungspersönlichkeiten richten. Stellen Sie zudem rechtliche Unterstützung und psychosoziale Beratung für Frauen bereit, die online angegriffen werden.

 

LADEN

Green Armenia NGO in Partnerschaft mit Araminta gUG